Menschen lagen Anette Cordes schon immer am Herzen, aber bevor sie Seelsorgerin wurde, ging sie zunächst einen ganz anderen Weg. Die heute 52-Jährige wollte ursprünglich Wissenschaftsjournalistin werden, aber nach dem Grundstudium Biologie und Publizistik sattelte sie dann doch noch einmal um und studierte Sozialpädagogik. Es sollte eben doch eher eine Arbeit mit Menschen sein. Danach arbeitete sie im Bereich Öffentlichkeitsarbeit, als Frauenreferentin im Bundestagsbüro der Grünen in Berlin. Aber irgendetwas fehlte ihr. Sie fand es in einem traurigen Moment – als sie das Sterben ihrer Großmutter begleitete. Plötzlich gab es eine Erinnerung an den Halt, den der Glauben bieten kann.

„Und dann habe ich mich aufgemacht, auf einen neuen Weg“

„Und dann habe ich mich aufgemacht, auf einen neuen Weg“, sagt Anette Cordes. Der begann mit der ehrenamtlichen Hospizarbeit. Zehn Jahre begleitete sie Sterbende im Hospiz, auf Stationen und zuhause, alte Menschen und junge, Kinder und Erwachsene. Sie hatte den für sie richtigen Weg gefunden. Sie bildete sich laufend fort, machte eine Ausbildung zur Geistlichen Begleiterin, zur Trauerbegleiterin, eine Seelsorge-Ausbildung, und zusätzlich eine für klinische Seelsorge, wurde Diakonin und Prädikantin, ein kirchliches Amt, dass es erlaubt, auch Gottesdienste abzuhalten. Den Menschen, denen sie als Seelsorgerin begegnet, möchte sie vor allem Zeit und Offenheit schenken. „Ich möchte Räume öffnen“, sagt sie, „Räume, in denen Platz ist für offene Gespräche über alles, was die Menschen aktuell bewegt, in denen Platz ist für Emotionen, ob Wut, Trauer oder Freude, in denen alles besprochen werden kann und in denen alles bleibt.“ Ob dabei das Spirituelle überhaupt eine Rolle spiele, sei völlig offen. Sie käme niemals mit einem missionarischen Ziel oder etwas dergleichen, sondern allein mit dem Angebot, da zu sein und in schwierigen, traurigen oder einsamen Situationen ein offenes Ohr zu haben, zuzuhören und gemeinsam mit den Betroffenen ein wenig zu sortieren und vielleicht einen neuen Weg zu finden. Dabei spiele der religiöse Hintergrund der Patientin oder des Patienten überhaupt keine Rolle. Aber natürlich gäbe es auch Situationen, in denen ein gemeinsames Gebet oder ein Segen gewünscht sei. Auch dafür sei sie da.