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Digitalisierung im Krankenhaus: "Der Motor läuft"

Schichtwechsel

Im Oktober 2020 ist das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) in Kraft getreten – ein milliardenschweres Investitionsprogramm, das deutsche Krankenhäuser digitaler machen soll. Bis 2025 müssen Kliniken bestimmte Projekte umgesetzt haben. Auch in der Gesundheit Nord wird die Digitalisierung mit Hochdruck vorangetrieben. Im Interview erzählen MIT-Leiter Helmar Conradi und sein KHZG-Team, was bisher passiert ist und wie es bis 2025 weitergehen wird.

GeNoMagazin: Seit rund zweieinhalb Jahren läuft das Vorhaben KHZG – also das bundesweite Programm zur Digitalisierung unserer Krankenhäuser. Was waren bisher die größten Herausforderungen?
Michael Görlich: Es ist die schiere Menge an Projekten, die die Umsetzung so herausfordernd macht. Wir müssen die der GeNo zur Verfügung stehende Summe von 21 Mio. Euro in einem bestimmten Zeitraum ausgegeben haben. Das bedeutet, dass wir bis zu 24 Projekte gleichzeitig vorantreiben und koordinieren müssen. Dabei gibt es natürlich viele Abhängigkeiten zwischen den Themen, die wir berücksichtigen müssen.
Timo Brunnée: Der Gesetzgeber hat die knappen Zeiträume offensichtlich unterschätzt.
Monika Pahl: Wir sind mit der Beschaffung der Softwareprodukte gut vorangekommen, aber von Seiten der Beratungs- und Dienstleistungsfirmen entsteht ein Engpass, da ja alle Krankenhäuser an den gleichen Themen arbeiten. Gleichzeitig sind wir auf deren Unterstützung zwingend angewiesen. Zugleich haben Pflegekräfte und ärztliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ohnehin kaum Zeit, sich mit extra dazukommenden Digitalisierungsthemen zu befassen, die ja im ersten Schritt noch nicht entlasten, sondern mehr Arbeit machen. Insgesamt betrachtet, ist das eine schwierige Ausgangsposition für einen so großen Veränderungsprozess.

Der Gesetzgeber gibt vor, dass die Projekte in einer bestimmten Zeit umgesetzt sein müssen. Die Hälfte der Zeit ist also bereits um. Welche Halbzeitbilanz ziehen Sie?
Monika Pahl: Für die Masse an Projekten, die wir umsetzen müssen, sind wir schon wahnsinnig weit. Übrigens viel weiter als viele andere Krankenhäuser, die oft nur einige Projekte oder Maßnahmen beantragt haben. Wir haben eine gute Projekt- und Programmstruktur entwickelt, die uns sehr hilft.
Timo Brunnee: Positiv ist außerdem, dass wir bisher alle Lösungen oder Produkte, die wir ausgewählt haben, auch bekommen haben – das ist bei den strengen Vorgaben nicht selbstverständlich.

Die Digitalisierung greift tief in die Arbeitsprozesse ein. Einerseits werden Abläufe komfortabler und effizienter – andererseits bedeutet es auch, dass sich Gewohntes ändern muss. Welchen Bedenken oder Widerständen begegnen Sie?
Timo Brunnee:
Die Lösungen, die wir beschaffen, sind künftig der Standard für den ganzen Konzern – es gibt also immer ein System für alle, keine Sonderlösungen mehr. Das bedeutet für viele erstmal ein Umdenken. Insgesamt wünschen wir uns, dass die Kolleginnen und Kollegen in den Kliniken die digitalen Möglichkeiten verschiedenster Softwareprodukte noch stärker als arbeitstägliches Werkzeug sehen, das langfristig eine große Entlastung schaffen wird. Wir wünschen uns, dass sie die Prozesse mitgestalten und idealerweise sogar Spaß daran haben.
Monika Pahl: Natürlich setzt eine erfolgreiche Digitalisierung erst einmal eine Investition von Zeit voraus – und zwar von jedem einzelnen: Ich muss Zeit investieren, um mich schulen zu lassen. Nur wenn ich mit den neuen Werkzeugen gut umgehen kann, entlasten sie mich dauerhaft und bringen eine echte Zeitersparnis.
Helmar Conradi: Die Digitalisierung eines Krankenhauses kann die IT nicht allein leisten. Diese Veränderung muss von den Kliniken mitgetragen werden, damit wir gemeinsam erfolgreich sind.
Timo Brunnee: Ich bin davon überzeugt, dass wir in den Krankenhäusern Digitalisierungsbeauftragte brauchen, die auch einen festen Stellenanteil für dieses Thema haben. So wie es ja auch für andere Themen Beauftragte gibt. Wir brauchen diese Leute, die das Prozesswissen aus den Kliniken haben und die Veränderungsprozesse mit unterstützen und fortwährend mitgestalten können und wollen.

Dass die Digitalisierung kommt, stellt aber sicher niemand mehr in Frage, oder?
Monika Pahl:
Nein, letztlich warten natürlich alle darauf. Deshalb bin ich froh, dass die Projekte nun immer sichtbarer werden. Als wir die digitale Kurve und Medikation vorgestellt haben, war das Interesse riesig. Bei diesem Thema geht es nun mit den Schulungen los. Die digitale Spracherkennung wurde gerade ausgerollt, da liegen wir im Plan. Ebenso beim Ausbau des WLAN: Das werden wir an allen Standorten bis zum vierten Quartal des Jahres umgesetzt haben, danach kann die digitale Pflegedokumentation flächendeckend starten. Man muss natürlich auch sagen: noch sind wir sehr damit beschäftigt, wie wir diese Themen umsetzen und wie sie unsere Arbeitsprozesse verändern. Am Ende aber wird es auch eine riesige Verbesserung für die Patientinnen und Patienten bedeuten.

Mitten in dieser Arbeit hat ein Cyber-Angriff dafür gesorgt, dass die Gesundheit Nord einige Zeit lang komplett offline war. Inwieweit hat Sie das in Ihrer Arbeit zurückgeworfen?
Michael Görlich:
Der Cyber-Angriff hat uns tatsächlich etwas zurückgeworfen. Wir konnten in allen Projekten lange keine Informationen und Dokumente mehr mit unseren externen Dienstleistern austauschen, sondern nur auf das gute alte Telefon zurückgreifen.
Helmar Conradi: Krankenhäuser werden sich zunehmend auf solche Situationen einstellen müssen. Wir müssen darauf vorbereitet sein, im Notfall auch ohne Internet zu funktionieren und entsprechende Ausfallkonzepte etablieren. Das Thema Cybersicherheit wird uns weiter beschäftigen – und natürlich investieren wir auch weiter massiv in die IT-Sicherheit.

Inzwischen hat sich der Alltag wieder normalisiert, die Gesundheit Nord ist wieder am Netz – und die zweite KHZG-Halbzeit hat begonnen. Wie blicken Sie auf die kommenden zweieinhalb Jahre?
Michael Görlich:
Wir sind mit der Umsetzung schon sehr weit gekommen. Anders gesagt: der Motor läuft, die Themen nehmen jetzt richtig Fahrt auf…
Monika Pahl: …und wir haben einen guten, aber auch ambitionierten Fahrplan für die zweite Halbzeit. Timo Brunnee: Jetzt kommt eine Phase, in der wir wieder verstärkt in den Kliniken vor Ort sein werden. Auf diesen Austausch zwischen Technik und klinischen Anforderungen freue ich mich sehr.
Helmar Conradi: Wir gehen mit viel Vorfreude und Erwartung in die zweite Halbzeit. Wir haben noch viel Arbeit vor uns, aber wir sind dabei, gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen vor Ort einen Riesenschritt für unser Unternehmen zu schaffen. Klar ist aber auch: das Thema Digitalisierung wird nicht mit dem 31. Dezember 2024 enden. Es wird auch danach weitergehen.

Das Krankenhauszukunftsgesetz

Deutsche Krankenhäuser sind digital rückständig. Grund dafür sind fehlende Investitionen – über Jahre. Daher hat der Bund im Oktober 2020 entschieden, Kliniken im Rahmen des Krankenhauszukunftsgesetzes (KHZG) drei Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen. Für insgesamt elf verschiedene Bereiche („Fördertatbestände“) können Krankenhäuser Geld beantragen. So kann in ein digitales Aufnahme-, Behandlungs- und Entlassmanagement investiert werden, in vereinfachtes Arbeiten an den Computerarbeitsplätzen sowie in verbesserte IT- und Informationssicherheit. Die Gesundheit Nord erhält 21 Mio. Euro für digitale Projekte. Zu diesen Projekten gehören beispielsweise die digitale Kurve und Medikation, die digitale Spracherkennung und die digitale Pflege-Dokumentation. Krankenhäuser müssen Abschläge zahlen und ihnen drohen Sanktionen, wenn sie bis zum Jahr 2025 bestimmte digitale Dienste nicht eingeführt haben.

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