Claus Fischer fasst sich vorsichtig an die rechte untere Seite seines Bauches. „Hier sitzt jetzt ein Stück von meiner Frau“, sagt er und schaut, als müsste er das selbst erst noch richtig begreifen. Kurz danach klopft es an der Tür seines Krankenhauszimmers und seine Frau kommt zu Besuch, bringt ihm etwas zu lesen mit, fragt wie es ihm geht. Ein scheinbar normaler Besuch. Man würde kaum darauf kommen, dass beide vorwenigen Tagen noch auf der Intensivstation lagen. Denn das Ehepaar aus Oyten bei Bremen hat gerade erst einen der wohl wichtigsten Momente in ihrem Leben hinter sich. Claus Fischer hat eine Niere von seiner Frau gespendet bekommen. Mitte Juni wurde das Organ im Transplantationszentrum des Klinikums Bremen-Mitte erfolgreich verpflanzt. Und das, obwohl die beiden Eheleute unterschiedliche Blutgruppen haben und nicht kompatibel sind, was eigentlich zu einer Abstoßung führen würde.

Erfolgreiche Nierentransplantation trotz verschiedener Blutgruppen
Patient Claus Fischer bekommt im Klinikum Bremen-Mitte ein Spenderorgan von seiner Frau implantiert. Dabei sind deren Blutgruppen gar nicht kompatibel. Die erste AB0-Immunadsorption in Bremen hat die Transplantation dennoch möglich gemacht.

Möglich wurde das durch ein spezielles Verfahren, dass nun erstmals in Bremen zum Einsatz kam und im Transplantationszentrum des Klinikums Bremen-Mitte etabliert wurde. Die sogenannte AB0-Immunadsorption: Über ein spezielles Gerät wird das Immunsystem des Organempfängers für die Transplantation vorbereitet. Dabei kommen je nach Blutgruppen-Kombination bestimmte Adsorber zum Einsatz. „Bei dem Verfahren werden die Antikörper, die sonst später eine Abstoßungsreaktion auslösen würden, aus dem Blut herausgezogen“, sagt Prof. Dr. Jens Lutz, Chefarzt der Medizinischen Klinik III, zu der die Nephrologie - also die Nierenheilkunde - gehört. Lutz hatte das Verfahren, das Anfang der 2000er Jahre erstmals in Freiburg angewandt wurde, auch schon während seiner Zeit in München eingeführt.
„Der Kreis an möglichen Spenderinnen und Spendern für Patienten, die auf eine Niere angewiesen sind, wird dadurch bedeutend größer“, betont Dr. Susi Knöller. Die Oberärztin hat das Programm federführend für Bremen vorbereitet und aufgebaut. Praktisch kann mit dem Verfahren nun auch in Bremen jede Blutgruppe mit jeder anderen kompatibel gemacht werden. „Das ist eine große Bereicherung für den Bereich der Lebendspenden“, sagt Lutz. Denn ohne dieses Verfahren war man auf die natürliche Kompatibilität der Blutgruppen angewiesen. Menschen mit Blutgruppe 0 können demnach zwar als Universalspender an alle Blutgruppen spenden können, aber selbst nur von Spendern mit Blutgruppe 0 ein Organ empfangen könnten. Auch Blutgruppe A wäre nur mit A kompatibel und B mit B. Menschen mit Blutgruppe AB wiederum können als Universalempfänger Spenderorgane aller anderen Blutgruppen empfangen, aber selbst nur an Menschen mit Blutgruppe AB spenden. Mit der ABO-Immunadsorption werden Transplantationsmöglichkeiten dagegen deutlich flexibler.
„Für uns ist das ein riesiges Glück“, sagt Claus Fischer. Der Tischlermeister aus Oyten lebt seit einigen Jahren mit einer schweren Niereninsuffizienz – also einem Nierenversagen. Weil das Organ das Blut selbst nicht reinigen und den Wasserhaushalt regulieren konnte, musste Fischer regelmäßig zur Dialyse nach Bremen, damit die Maschine die Aufgabe erledigen konnte. Als er und seine Frau von der Möglichkeit erfuhren, dass eine Lebendspende trotz unterschiedlicher Blutgruppen möglich ist, „war die Entscheidung schnell getroffen“, sagt Fischer. „Der Leidensdruck war hoch. Wir sind beide noch fit, möchten noch gemeinsam viel unternehmen im Leben, unterwegs sein.“ Und dennoch war die Aufregung vor der Transplantation natürlich groß. Der Gedanke, dass seiner Frau als komplett gesunder Mensch ein Organ entfernt würde und sie so für die Zeit im Krankenhaus auch zur Patientin würde und sie beide mit nur noch einer Niere leben müssten, war gewöhnungsbedürftig. „Und gleichzeitig bin ich so unendlich dankbar, dass sie dazu bereit war“, sagt Claus Fischer.

Die Erleichterung als er realisierte, dass alles gut gegangen war, sei riesig gewesen. Nach wenigen Tagen konnte seine Frau bereits das Krankenhaus verlassen. Er selbst muss noch ein paar Tage im Krankenhaus bleiben, ein paar Tests durchlaufen. „Die Blase muss trainiert werden, sie hatte ja praktisch über Jahre nichts mehr zu tun“, sagt Claus Fischer. Die Niere seiner Frau – eingepflanzt in Nähe der Blase, weil sie dort besser an Blutgefäße und Harnleiter angeschlossen werden kann – funktioniert auch in seinem Körper. Nun hofft er, dass sie auch langfristig angenommen wird – und er zusammen mit seiner Frau und seiner Familie in sein neues, unbeschwerteres Leben starten kann. Eine Idee dafür haben die Fischers auch schon: „Unser Traum ist, dass wir bald endlich einmal wieder gemeinsam verreisen können. Daran war vorher nicht zu denken.“
Diese Blutgruppenkompatibilität gibt es ohne AB0-Immunadsorption
0 = Neben Blutgruppe A die häufigste Gruppe (<40 Prozent). Gilt als Universalspender, kann aber selbst nur von 0 empfangen
AB = Seltenste Blutgruppe. Gilt als Universalempfänger, kann aber selbst nur an AB spenden
A = Neben Blutgruppe 0 die häufigste Gruppe (<40 Prozent). Kann an A spenden und von A empfangen
B = Kann an B spenden und von B empfangen
Diese Blutgruppen-Kombinationen werden durch die AB0-Immunadsorption möglich
| Spender | Empfänger |
| A | 0 |
| A | B |
| B | 0 |
| B | A |
| AB | A |
| AB | B |
| AB | 0 |
Transplantationszentrum am Klinikum Bremen-Mitte
Mehr als 1000 Transplantationen seit 1988
Das Transplantationszentrum des Klinikums Bremen-Mitte hat seit 1988 (1. Transplantation: 30. August 1988) insgesamt 1185 Nieren transplantiert, davon 173 Lebendspenden. In der ersten Jahreshälfte 2025 waren es (Stand 6/2025) bereits 17 Nieren, davon 7 Lebendspenden. Der Anteil von Lebendspenden an der Gesamtzahl der Transplantationen schwankt von Jahr zu Jahr ungefähr zwischen 10 und 40 Prozent. Der Anteil an Lebendspenden ist laut Prof. Dr. Sebastian Melchior, dem Leiter des Transplantationszentrums, im Laufe der Jahre aber nicht eindeutig gestiegen. Die Urologische Klinik (Prof. Melchior) und die Medizinische Klinik III (zu der die Nephrologie mit Prof. Jens Lutz gehört) arbeiten im Transplantationszentrum eng und interdisziplinär zusammen. Auf der Warteliste für ein Spenderorgan stehen im Bremer Transplantationszentrum (Stand 6/2025) mehr als 100 Personen.
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