Der Operation ist ein umfangreiches Adipositas-Behandlungsprogramm vorausgegangen – vom ausführlichen Erstgespräch mit Chefarzt Dr. Matthias Müller, über den Besuch einer Selbsthilfegruppe, dem Führen eines Ernährungstagebuches, dem medizinischen Ausschluss organischer Erkrankungen bis hin zu einer psychosomatischen Stellungnahme der Klinik für Psychosomatik. Und dann kommt der Tag der Operation. Früher als erwartet. „Ich habe keinen Moment gezögert“, so Kutzner. Zu diesem Zeitpunkt wiegt sie 112 Kilo bei einer Körpergröße von 1,60 Meter.

Mit Disziplin in ein völlig neues Leben
Es gibt ein Datum, das Sabine Kutzner nicht vergessen wird: Den 26. März 2024. An diesem Tag ändert sich für die 49-Jährige endgültig alles. An diesem Tag bekommt sie in der Klinik für Viszeralchirurgie am Klinikum Bremen-Ost einen Schlauchmagen. Der bariatrische Eingriff, bei dem der Magen operativ verkleinert wird, ist gleichzeitig End- und Ausgangspunkt für ein anderes, ein neues Leben. Hier erzählt sie ihre Geschichte.
Innerhalb eines guten Jahres hat Sabine Kutzner 51 Kilo abgenommen. Statt Übergrößen trägt sie nun Größe 38. „Manchmal traue ich mich im Geschäft noch gar nicht, zu diesen Größen zu greifen, aber es passt dann ja“, sagt sie und lacht. Hinter diesem Erfolg steckt allerdings keineswegs nur der operative Eingriff, sondern vor allem sehr viel Disziplin. „Unser Teil hier ist der kleinste, das meiste müssen die Patientinnen und Patienten auf sich nehmen“, sagt auch Dr. Matthias Müller. Die Ernährung müsse komplett umgestellt werden, es können nur noch kleine Mengen gegessen und getrunken werden, zudem müsse man auf eine stark eiweißhaltige Ernährung und auf viel Bewegung für den Muskelaufbau achten. „Aber wir lassen niemanden allein“, sagt Müller. Vor und nach dem Eingriff gibt es regelmäßige Untersuchungen und Beratungen. Wenn Probleme auftauchen, sind Müller und sein Team zur Stelle: „Das ist ein lebenslanger Prozess und wir bleiben an der Seite unserer Patienten.“ Dieses Angebot und die intensive und persönliche Begleitung haben Sabine Kutzner überzeugt. „Ich fühle mich hier gut aufgehoben und rundherum gut versorgt“, sagt sie. Und das habe sie so vorher nie erlebt.
Wie die meisten hat auch Sabine Kutzner eine lange Leidensgeschichte hinter sich. Schon als junge Frau war sie übergewichtig, stammt aus einer Familie, „in der immer viel und viel Falsches gegessen wurde“, wie sie sagt. Sie war beruflich im Dauerstress, bekam zwei Kinder, dann noch eine Brustkrebserkrankung mit anschließendem chronischen Erschöpfungssyndrom. Das Gewicht ging manchmal etwas runter, vor allem aber hoch. Die Gelenke schmerzten, sie bekam Diabetes Typ 2, war kurzatmig und immer schlapp. Sabine Kutzner erinnert sich noch gut an den letzten Urlaub auf Rügen: „Wie ein gestrandetes Walross habe ich mich schnaufend über den Strand geschleppt und habe nicht mal einen Kilometer geschafft.“
Dazu kam die Stigmatisierung. Blöde Sprüche, derbe Witze. Scham. Das erlebte Kutzner auch bei Ärztinnen und Ärzten. Statt mit ihr über mögliche Lösungen nachzudenken, reagierten die Mediziner unwirsch: „Nehmen sie doch ab“.
Matthias Müller kennt diese Geschichten. „Ich würde mir wünschen, dass die niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen noch mehr über die Erkrankung Adipositas wissen würden“, sagt der Chirurg. Adipositas sei ein sehr komplexes Phänomen. Der Rat, mal abzunehmen, bringe gar nichts. Da brauche es ein umfassendes Konzept mit medizinischer Begleitung und ohne eine Vorverurteilung der Betroffenen.
Denn es geht um viel. Adipositas ist nicht nur eine Frage des Aussehens, sondern verursacht in der Folge eine Vielzahl schwerer körperlicher Erkrankungen, die die Lebensqualität immer weiter einschränken und letztendlich auch die Lebenszeit verkürzen können. „Viele der Erkrankungen verschwinden mit der Behandlung der Adipositas von selbst“, sagt Müller, ohne die Disziplin der Betroffenen bringe aber auch ein Schlauchmagen oder Magenbypass nichts. Der Lebensalltag müsse ein anderer werden.
Sabine Kutzners Leben ist jedenfalls jetzt ein ganz anderes. Sie geht wieder gerne tanzen, läuft viel, schläft besser und hat einfach Spaß an der Bewegung. Und sie hat das Kochen für sich entdeckt - nach Rezepten, die ihr guttun, mit guten frischen Lebensmitteln. „Ich habe so viel gewonnen, das setze ich nicht wieder aufs Spiel“, sagt sie. Und gesundheitlich? Ihr Diabetes ist nicht mehr nachweisbar, die Gelenkbeschwerden sind weg. Von Erschöpfung keine Spur. Ihr Fazit: „Ich habe gerade die beste Zeit meines Lebens.“
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