„Das Allerwichtigste ist eine gemeinsame Planung“, sagt Dr. Johanna Kulenkampff, Funktionsoberärztin in der Tagesklinik der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie am Klinikum Bremen -Ost. Und das gelte nicht nur für Familien mit psychisch erkrankten Kindern, sondern für alle. Denn die Vorstellungen vom Fest liegen gerade bei Heranwachsenden und ihren Eltern und Großeltern oft Lichtjahre voneinander entfernt. Während die Älteren stundenlange Präsenz am Esstisch, den gemeinsamen Kirchenbesuch oder einen ausgedehnten Weihnachtsspaziergang verlangen, wollen die Jüngeren vielleicht lieber Zeit für sich, fürs Zocken und Chatten oder den abendlichen Club-Besuch mit Freunden. Stimmt man die unterschiedlichen Erwartungen nicht im Vorfeld ab und findet Kompromisse, ist die Eskalation an Weihnachten vorprogrammiert.

Oh du fröhliche – Oh du selige...?
Weihnachten – die schönste Zeit des Jahres? Die Erwartungen sind hoch, alles soll perfekt sein. Die Familie kommt zusammen, es wird geschnackt, geschenkt und gut gegessen. Doch nicht selten treten, wenn es besonders schön sein soll, plötzlich familiäre Spannungen auf. Denn die Vorstellungen vom perfekten Fest liegen zwischen Heranwachsenden und ihre Eltern und Großeltern oft Welten auseinander. Wir haben Tipps, wie man Familienstress zum Fest vorbeugen kann.

Offenheit, Rücksicht und Kompromissbereitschaft sollten oberste Gebote bei den Gesprächen sein. Ziel ist es, klare Absprachen zu treffen, die für beide Seiten akzeptabel sind. Wichtig sei, diese dann auch gegenüber den Gästen offen zu kommunizieren und dabei zu bleiben, so Johanna Kulenkampff. Von strengen Geboten und Verboten, wie zum Beispiel einem Handy-Verbot an den Feiertagen, hält sie überhaupt nichts. „Da müssen sich alle etwas zurücknehmen und die Erwachsenen auch mal etwas Nachsicht walten lassen“, so die Fachärztin. Was bei gesunden Jugendlichen schon eine ordentliche Portion Fingerspitzengefühl erfordert, kann beim Umgang mit seelisch Kranken zur Überforderung werden – für die Betroffenen selbst und für die Familien.
Erkrankungen verschlimmern sich unter Druck
Oftmals wird die Erkrankung der Kinder dann der anreisenden Familie erst so richtig bewusst, vielleicht wurde das Thema bisher eher gemieden. „Eine Essstörung, eine Depression oder AHDS lassen sich aber nicht verbergen“, so Kulenkampff. Diese Erkrankungen verschlimmerten sich eher unter Druck. Dann hält ein Kind mit AHDS die innere Spannung plötzlich nicht mehr aus und tobt durch die Kirche, dann wird die Enkelin gefragt, warum sie so dünn sei und nicht mal an Weihnachten „ordentlich esse“. Für die Betroffenen bedeutet das eine große Belastung, der sie manchmal nicht standhalten können. Die Folge – Stress bei allen. Die Kinder bekommen das Gefühl versagt zu haben, die Eltern fühlen sich hilflos, überfordert und schämen sich vielleicht sogar.

Rückzugszeiten einplanen
„Wir bereiten die Kinder und Jugendlichen zusammen mit ihren Eltern und Geschwistern hier gut auf die Festtage vor“, sagt Nicole Fangmann-Hünken, eine der beiden Klinikpflegleiterinnen der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Bei Essgestörten werde gemeineinsam ein Essensplan festgelegt. Außerdem spreche man über Rückzugsmöglichkeiten, über Entspannungstechniken, die helfen können, wenn Druck entstehe und auch darüber, ob Weihnachten wirklich immer den tradierten Abläufen folgen müsse. „Manchmal raten wir den Eltern, die Verwandtschaft mal nicht einzuladen und den Kirchgang ausfallen zu lassen, da viele Betroffene Menschenansammlungen nicht gut aushalten können“, so Fangmann-Hünken.
„Und natürlich gibt es immer einen Notfallplan“, ergänzt ihre Kollegin, Klinikpflegleiterin Nadine Jensen. Die Patientinnen, Patienten und ihre Angehörigen hätten immer die Möglichkeit, die Klinik zu kontaktieren, um Rat zu suchen. Und wenn es schief geht, könnten die Betroffenen auch jederzeit in die Klinik zurückzukehren. Das sei aber überhaupt nicht die Regel. Im Gegenteil, die Kinder und Jugendlichen freuten sich meist auf das Fest zuhause, selbst wenn es dort nicht optimal liefe.

In der Kinder- und Jugendpsychiatrie selbst wird die Advents- und Weihnachtszeit nicht nur therapeutisch gut vorbereitet, sondern auch gebührend gefeiert – mit dem gemeinsamen Schmücken der Station, mit Backen, Basteln, Weihnachtsfeiern und einer Wunschsternaktion, damit auch die, die in der Klinik bleiben müssen, einen gemütlichen Heiligabend mit persönlichen Geschenken feiern können. „Es gibt Kinder und Jugendliche, die hier bei uns das erste Mal erleben, wie besonders diese Zeit sein kann“, sagt Nadine Jensen. Das behandelnde Team guckt daher ganz individuell auf die Lebenssituation jedes einzelnen Betroffenen und versucht, gemeinsam und im engen Austausch mit den Angehörigen einen guten Weg zu finden – nicht nur zu Weihnachten.
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